Vortrag Prof. Mäckler
Vortrag anläßlich der virtuellen Eröffnung im Diözesanmuseum St. Afra Augsburg
am 25. März 2021
7 Kapellen
Als wir begannen, uns als Architekten mit der Aufgabe des Entwurfes einer Wegkapelle für die Siegfried und Elfriede Denzel Stiftung zu beschäftigen, beeindruckte uns zunächst die Tatsache, mit Dr.Peter Fassl durch die Landschaft des Donauraumes zu fahren, um nach einem Baugrundstück zu suchen. Und wenn ich von „uns“ spreche, so entnehme ich dies den Einführungstexten der Kollegen zum Entwurf ihrer Kapellen in dem seit heute vorliegendem Katalog. Die Suche nach einem Grundstück beeindruckte offenbar nicht nur mich, sondern uns alle.
Wann hat man das Glück, so scheint es, sich als Architekt den Standort für ein Bauwerk selbst aussuchen zu können? Auf der Rückfahrt sagte man mir fast bewundernd (und es war dies nicht Dr. Fassl), dass ich den Entwurf wohl schon im Kopfe haben müsste und ich versichere Ihnen, dass dies nicht der Fall war. Ich spürte vielmehr eine gewisse Verunsicherung und fragte mich, was wohl der Grund dafür sei? Nun im Nachhinein ist die Antwort schnell gegeben: Statt im Stadtraum, steht das Bauwerk im Landschaftsraum und scheint damit in seinem Entwurf auf sich selbst gestellt zu sein.
Nein, der Architekt scheint auf sich selbst gestellt zu sein, vermittelt ihm die das Bauwerk umgebende Landschaft doch keinen der gewohnten Anhaltspunkte, mit denen er den Entwurf seinem Bauherrn zu erläutern wüsste.
Das Haus im Stadtraum
Im Gegensatz zu den sieben Häusern, die frei im Landschaftsraum stehen und damit einen Ort zu markieren haben, sind neue Häuser im Stadtraum in das Korsett einer meist Jahrhunderte alten Stadt gezwängt, aus dem sich Architekten seit 100 Jahren zu befreien suchen, mit dem sie aber gleichzeitig die Begründung für die Gestalt ihres Bauwerkes zu finden wissen.
Wohn- und Geschäftshäuser, die an einem Ort, in einer Stadt errichtet werden, haben sich ihrer Umgebung und der Kultur des Ortes einzuordnen. Deshalb versuchen wir zu lernen, dass städtische Häuser als Bauwerke anstelle von Kunstwerken zu errichten sind. Es sind Bauwerke, in denen gelebt und gearbeitet wird und die damit zunächst nur ein Grundbedürfnis unserer Gesellschaft zu erfüllen haben.
In den unterschiedlichen Landstrichen haben sich aufgrund örtlicher Gegebenheiten über die Jahrhunderte verschiedenste Bautypen entwickelt. Eines aber ist ihnen alle gemein, nämlich sich mit nur einer einzigen Fassade, der Straßenfassade in den öffentlichen Raum zu orientieren und mit dieser Fassade am Leben der Stadt teilzunehmen. Ihre Rückseite mit der Hof- und Gartenfassade dagegen ist dem privaten Leben der Bewohner des Hauses, des Ein- oder Mehrfamilienhauses vorbehalten. Hier bestimmt der Grundriss des Hauses die Form des Hof- oder Gartenraumes.
Die Funktion der Grundrisse und ihr Zuschnitt lassen den Innenhof fast willkürlich und ohne Ordnung erscheinen. Anders dagegen die Straßenfassade, die den öffentlichen Raum von Straße und Platz Form, Charakter und Schönheit verleihen. Die Außenwände der Innenräume städtischer Häuser werden zu den Innenwänden der Straßen, an denen sie stehen. Der Straßenraum wird damit durch die Schönheit der Straßenfassaden der Häuser, von denen er umstellt und eingefasst ist, bestimmt. Wie diese Häuser in ihrem Inneren organisiert und gestaltet-, ob sie mit grüner, gelber oder blauer Farbe gestrichen sind, ist für die Schönheit des Straßenraumes dabei von nur geringer Bedeutung. Ausschließlich die Aneinanderreihung der Straßenfassaden der Wohn und Geschäftshäuser, ihre Materialien, Farben und Proportionen sind ausschlaggebend für den Charakter und die Schönheit eines Stadtraumes.
Was hier beschrieben ist, ist der Traum eines Architekten, der sich seit vielen Jahren mehr der Architektur der Stadt und ihrer Räume, als der vermeintlich individuellen-, auf sich gestellten Architektur des Hauses und seiner Funktion widmet. Es ist der Traum vom Gemeinsinn in der Architektur der Stadt, der Traum, dass das „Einfügen“ des einzelnen Hauses in den Baukörper der Stadt zum Allgemeingut in der Arbeit des Architekten wird, der Traum diesen Baukörper Stadt als Bereicherung für den eigenen Entwurf und nicht als Korsett zu empfinden. Betrachten wir die Stadt als Bauwerk, so ist ihre Schönheit vor allem darauf zurückzuführen, dass es bei aller Vielfalt eine Einheit im Konsens des „Sich-Zusammenfügens“ von städtischen Bautypen gibt. Im Häusermeer der Stadt sollte es ausschließlich einem öffentlichen Gebäude, so z.B. dem Rathaus, der Schule oder einem Museum vorbehalten sein, sich als besonderes Gebäude hervorzuheben.
Das Haus im Landschaftsraum
Wie viel anders, ja wie viel schwieriger erscheint uns im Unterschied zum Stadtraum das Bauen von Häusern im Landschaftsraum zu sein. So wie Sankt Ulrich in Augsburg als Zielgebäude das Ende der Maximilianstraße dominiert und den Straßenraum im Süden abschließt, so stehen die sieben Kapellen auf sich gestellt als Zielgebäude im Donautal und werden damit zum Anziehungspunkt auf den Radwanderwegen des Landschaftsraumes. Am Rand des Waldes, auf dem freien Feld und an Wegekreuzen errichtet, markieren sie Orte der Ruhe und Einkehr.
Anders als die Häuser in der Maximilianstraße sind sie, könnte man sie nebeneinanderstellen, aus einem einheitlichen Material und damit in einer einheitlichen Farbe gehalten. Der Naturbaustoff Holz lässt sie für ihre Besucher auf ihrem Weg durch das Donautal zu einem in Reihe gestellten Ensemble werden. Dass es eine Reihe von sieben Bauwerken ist, gibt einen ersten Hinweis auf die Tatsache, dass es sich um eine religiöse Landmarke christlichen Glaubens handelt.
Und damit sind auch schon die einzigen Vorgaben des Bauherrn, der Siegfried und Elfriede Denzel Stiftung für den Entwurf der Kapellen benannt. Sie müssen aus Holz gearbeitet – und als Zeichen des christlichen Glaubens mit einem Kreuz ausgestattet sein. Uns Architekten waren damit neben der Wahl des Grundstückes nur zwei Angaben für den Entwurf einer Wegkapelle gegeben. Dies erscheint zunächst als eine Freiheit, die dem Architekten aber mehr Verantwortung auferlegt, als der Umgang mit dem vermeintlichen Korsett des Stadtraumes.
Als Landmark am Rande des Waldes, auf freiem Feld oder am Wegekreuz entstanden damit Architekturen, deren Unterschiedlichkeit nur in der Einheitlichkeit des Materials zum Ensemble wird. Jede Kapelle hat ihren eigenen Charakter und wird in ihrer Architektur zu einem Ort des Einhaltens und der Besinnung.
Im Landschaftsraum aus der Ferne markieren die Kapellen, der Turm, die Skulpturen mit Baum, die Lichtfänger, der Block und das Haus das Kreuz von Wegen, die in der Architektur zum christlichen Kreuz werden. Sie stehen kaum allein, sondern suchen meist die Nähe des hochgewachsenen Baumes, als wollten sie sich mit der Natur vereinen und werden in ihrer architektonischen Form zum Einblick und Ausblick in die sie umgebende Landschaft und Natur. In ihrem Inneren wird das Wegekreuz zum christlichen Kreuz. Aus der Holzwand geschnitten oder als Form in Holz gesägt, weist es in die Unendlichkeit des Himmels oder fängt dessen Sonnenlicht ein, konzentrierend, zuweilen blendend und den Raum in Dunkelheit tauchend, als Metallkreuz vor weißer Wand oder als Kreuz aus Mooreichenholz gesägt und in die Holzwand eingelassen wird es zum Zentrum und Anlass des Raumes und der Besinnung seiner Besucher.
Das Gesamtwerk 7 Kapellen ist einmalig,
-weil ein Stifter und ein Ideengeber zusammengekommen sind und das Kapellenprojekt in gemeinsamem Engagement und mit großer Ausdauer vorangetrieben haben,
-weil der Nachweis erbracht wird, dass es das Handwerk in einer Zeit der industriellen Produktion mit der Liebe zum Detail und einem fulminanten handwerklichen Können noch immer zu Hochleistung bringt,
-weil Architekten in der Nüchternheit und Kargheit unserer Zeit den Nachweis erbringen, dass sie Räume der Besinnung und der Schönheit zu erschaffen wissen,
-und weil es in den vergangenen drei Jahren deutlich geworden ist, dass sich die Bevölkerung eines Landstrichs für das Gemeinwohl zu engagieren weiß und mit einem gewissen Stolz und Genugtuung auf das gemeinsame Werk schaut.
Ihnen, sehr geehrte Familie Denzel und ihnen sehr verehrter Dr. Fassl möchte ich an dieser Stelle im Namen meiner Kollegen für das Vertrauen danken, dass sie in uns gesetzt haben. Wir empfinden es nicht als selbstverständlich, sondern als eine große Ehre, dass wir als Architekten für sie im Donautal die sieben Kapellen entwerfen und mit der Firma Gumpp und Maier und ihrem Projektleiter Herrn Bühler, dem unser ganz besonderer Dank gilt, realisieren konnten.
Haben Sie herzlichen Dank!
Christoph Mäckler
Frankfurt am Main im März 2021